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Tier- und Naturschutz Hamburg-Rahlstedt e.V.

Gemeinnütziger Verein zur Förderung des Tierschutzes

 
 
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Insekten: Wespen, Hornissen, Hummeln und Bienen

Teil IV:

Bekämpfung oder Schutz?

Wie können fachgerechte Reaktionen auf Anfragen aussehen? Oft wird eine subjektive Gefährdung durch irgendwelche Hautflügler gemeldet. Der Schädlingsbekämpfer sollte die ganze Palette Beratung, Information, mechanische Schutzvorkehrungen und ggf. Umsiedlungen verfügbar haben, so dass chemische Einsätze eher die Ausnahme als die Regel werden. Manche Anfragen lassen sich bereits durch eine telephonische Kurzberatung zum Abschluss bringen. z.B. kann die Sachauskunft: "Leere Wespennester werden nie wieder benutzt" zur ausreichenden Beruhigung eines besorgten Anrufers führen.

Insektenansammlungen ohne Nest

Vor Ort ist dann zunächst zu klären, ob überhaupt ein Nest vorhanden ist. Nicht selten treten Hymenopteren aus anderen Gründen in größerer Zahl auf, z.B.

  • an Futterquellen wie blühenden Efeu an der Hauswand
  • an Außenlampen, weil die Tiere vom Licht angezogen werden
  • auf feuchten Lehmboden, weil dort zahlreiche solitäre Bienen oder Wespen ihre einzelnen Brutröhren kolonieartig gebaut haben

Die Tiere sind in solchen Fällen i.d.R. friedfertig und die Störungen sind nur von kurzer Dauer. Es besteht kein Handlungsbedarf, im Einzelfall kann eine Beratung vor Ort zur Beruhigung der Anfrager beitragen.

Wespe ist nicht gleich Wespe

Für die Beurteilung von Wespen ist zu unterscheiden zwischen großen, langlebigen Völkern (Vespula vulgaris und V. germanica), kleinen, kurzlebigen Völkern (Dolicovespula-Arten, Vespula rufa, Polistes-Arten) und den Hornissen (Vespa crabro).

Mit den beiden langlebigen Arten kann es bedingt durch deren Volksstärke, Lebensdauer (bis zum Frostbeginn) und Vorliebe für Nahrungsmittel des Menschen am ehesten zu Konflikten kommen. In entsprechend gelagerten Fällen kann hier die Vernichtung von Völkern unvermeidbar sein.

Die kleinen, kurzlebigen Völker sind alle relativ friedfertig, belästigen uns nicht am Kaffeetisch und führen nur selten zu Problemen. Das kann allenfalls einmal sein, wenn ein Nest an einer sehr ungünstigen Stelle, z.B. in einem Schuppen, angelegt ist. Nester von Langkopfwespen (Dolichovespula), die gut sichtbar in Sträuchern oder außen an Gebäuden hängen, werden häufig Ziel unnötiger (und illegaler) Vernichtungsaktionen. Sie sind aber unproblematisch und in jedem Falle zu schonen, ganz besonders die hell nistende seltene D. media. Bei ungünstiger Lage und in einem frühen Entwicklungsstadium kommen Umsiedlungen in Frage, meist sind aber schonendere Schutzmaßnahmen ausreichend.

Hornissen sind besser als ihr Ruf

Insgesamt sind Hornissen, entgegen ihrem schlechten Ruf, außerordentlich friedfertig und berechenbar, solange man ihr Nest in Ruhe lässt. Umsiedlungen sind nur in ungünstigen Fällen nötig und müssen dann von speziell geschulten Fachkräften ausgeführt werden. Meist sind aber Aufklärungsgespräche oder einfache Schutzmaßnahmen ausreichend.
Hornissen fliegen regelmäßig auch bei Dunkelheit und werden dabei von künstlichen Lichtquellen (wie z. B. erleuchteten Fenstern) angelockt. Störungen durch die Tiere vermeidet man durch Reduzierung der Beleuchtung (insbesondere Halogenstrahler und Leuchtstofflampen ausschalten) oder Fliegengitter.
Bei Nestern auf Dachböden ist der Hinweis wichtig, dass sich unter der großen Nestöffnung reichlich übelriechende flüssige Exkremente ansammeln können. Man sollte dort vorbeugend eine Wanne mit Sägemehl o.ä. aufstellen. Darin findet ein biologischer Abbau statt, wodurch eine Geruchsentwicklung in der Regel verhindert wird.

Hummeln sind meist friedlich

Sie stechen nur im Notfall. Bei Nestern in der Erde kann man Kleinkinder bis etwa 3 m vom Einflugloch entfernt spielen lassen. Speziell die Baumhummel (Bombus hypnorum), die man gelegentlich in Vogelnistkästen antrifft, zeigt sich in Nestnähe allerdings relativ wehrhaft.

In jedem Fall: Naturschutzbestimmungen beachten!

Alle wildlebenden Tiere (auch Wespen!) unterliegen den Vorschriften über den allgemeinen Naturschutz. Danach ist es z.B. verboten, deren Lebensstätten ohne vernünftigen, objektiv(!) nachvollziehbaren Grund zu beeinträchtigen oder zu zerstören. Das gilt natürlich auch für Hornissen und Hummeln sowie für alle solitären Bienen und Wespen. Diese sind darüber hinaus seit Anfang 1987 als ganz besonders geschützte Arten in die Bundesartenschutzverordnung aufgenommen. § 20f BNatSchG enthält die entsprechenden Vorschriften. Dies bedeutet, dass sogar in Fällen, in denen man sich von Tieren dieser Gruppen gefährdet fühlt, für jeden Eingriff (nicht nur für eine Vernichtung) eine besondere Ausnahmegenehmigung beantragt werden muss. Ob und mit welchen Auflagen eine solche Genehmigung erteilt wird, hängt vom Einzelfall ab. Genehmigungsfähig ist jeweils nur die für die Tiere schonendste Vorgehensweise. Zuwiderhandlungen können mit Geldbußen bis zu

50.000 € geahndet werden.

Nach Einschätzung der hiesigen Umweltschutzbehörde käme der fachlich Kundige (mithin jeder Schädlingsbekämpfer) bei Missachtung der Bestimmungen sogar mit dem Strafgesetz in Konflikt.

So können Mensch und Tier zusammenleben

Um ein erträgliches Miteinander zu ermöglichen und insbesondere kein Verteidigungsverhalten auszulösen, lassen sich aus der gründlichen Kenntnis der Tiere eine Reihe von Empfehlungen zum Verhalten des Anfragers ableiten: Sicherheitsabstand von einem starken Nest ca. 3 m, Erschütterungen des Nestes vermeiden, heftige und ruckartige Bewegungen besonders in Nestnähe vermeiden, Anblasen oder Anatmen von Tieren vermeiden, sich nicht in die Flugschneise begeben, in der Dämmerung Räume nur bei ausgeschaltetem Licht lüften, ins Zimmer geratene Tiere mit Trinkglas und Postkarte einfangen und ins Freie setzen.

Schutzmaßnahmen als Dienstleistung

Zur Gefahrenabwehr kommen an Stelle der Beseitigung eines Nestes eine Reihe schonenderer Eingriffsmöglichkeiten in Betracht. Als Maßnahmen – teilweise auch zur Vorbeugung für das nächste Jahr - bieten sich u.a. an:

  • Flugbahnumlenkung durch Fliegendrahtgewebe oder Bretter (Beispiel: Anbringung von Fliegengaze an einer Heckenseite, jedoch nur abends nach Flugende, sonst steht bald eine Wolke von beunruhigten Arbeiterinnen vor der Sperre)
  • Anbringen von Fliegengaze in Fensteröffnungen (auch bei Fenstern, die sich um die Mittelachse schwingen, ist dies technisch möglich)
  • Anbringen von Kettenvorhängen an Türen
  • Hecke schneiden oder Dachrinne reinigen unter Schutzanzug
  • Abdichten von Kabeldurchlässen u.ä. zwischen Boden- und Wohnräumen
  • Verschließen von Öffnungen mit nichtrostendem Fliegendrahtgewebe (Aluminium, Messing) nach dem Absterben der Völker im Winter(!)

Umsiedlungen sind aufwendig

Grundsätzlich können Umsiedlungen bei allen Wespen-, Hornissen- und Hummelvölkern durchgeführt werden. Zuerst prüft man, ob das Nest mit vertretbarem Aufwand erreichbar ist. Während Maueraufbrüche in aller Regel nicht angemessen sind, ist das Ausgraben von Erdnestern durchaus praktikabel. Ein stabiles Nistbehältnis - unterschiedlich je nach Tierart - muss beschafft oder gebaut werden. Es wäre dagegen weder sinnvoll noch fachgerecht, ein Nest ungeschützt z.B. im Wald einfach auf den Boden zu legen. Die Brut würde in Kürze von anderen Tieren gefressen werden. Ein für die Bedürfnisse der Tiere geeigneter neuer Ansiedlungsort muss ausfindig gemacht werden. Er sollte mindestens 5 km, bei Hornissen sogar mehr als 10 km vom Herkunftsort entfernt sein. Sonst besteht die Gefahr, dass die Tiere die Gegend wiedererkennen und an den vorigen Standort zurückkehren. Für die Ansiedlung am neuen Ort muß unbedingt das Einverständnis des Grundeigentümers eingeholt werden. Selbstverständlich muss eine speziell geschulte Fachkraft zur Verfügung stehen.
Im folgenden können die Arbeitsschritte einer Umsiedlungsaktion nur summarisch aufgeführt werden. Eine vollständige Anleitung, notwendigerweise mit Alternativwegen, würde hier den Rahmen sprengen.
Meist beginnt man mit dem Abfangen der Flugtiere. Dabei ist es wichtig, möglichst viele der Tiere, die gerade zum Nahrungserwerb ausgeflogen sind, einzufangen, denn diese werden auch am zukünftigen Standort für die Nahrungsversorgung unbedingt benötigt. Allein für diese Fangtätigkeit sind mindestens 1 – 1,5 Stunden einzukalkulieren. Das Nest mit Königin (wichtig!) und der gesamten Brut muss geborgen und je nach Tierart in unterschiedlicher Weise in den Nistkasten einsetzt werden. Dorthinein zu ihrem Nest müssen auch die abgefangene Tiere gegeben werden (das klingt leichter, als es ist). Der Kasten muss für den Transport insektendicht verschlossen werden. Am Zielort muss der Kasten sicher aufgestellt oder aufgehängt werden. Erst nachdem sich die Tiere beruhigt haben, darf man die Flugöffnung sehr behutsam freigeben, damit sich die Tiere sicher auf den neuen Ort einfliegen können.
Während der gesamten Aktion muss darauf geachtet werden, dass die Tiere ständig mit Futter versorgt sind.

Betriebswirtschaftliche Aspekte zur Umsiedlung

Wie oben angedeutet, ist eine fachlich einwandfrei durchgeführte Umsiedlung außerordentlich aufwendig. Bereits die eigentliche Umsiedlung nimmt in jedem Fall etliche Stunden in Anspruch, inklusive aller vor- und nachbereitenden Arbeiten muss man einen halben bis einen dreiviertel Tag kalkulieren. Hinzu kommt der teure Nistkasten. Erfahrungsgemäß ist kaum ein Auftraggeber bereit, den tatsächlichen Aufwand angemessen zu honorieren. Aus betriebswirtschaftlicher Sicht ist es aussichtsreicher, solide Beratung und verschiedene Schutzmaßnahmen zu verkaufen. Für Umsiedlungen oder andere Naturschutzprobleme hat es sich bewährt, wenn Betriebe mit Umweltschutzorganisationen oder mit einzelnen im Naturschutz tätigen Personen Absprachen treffen, so dass Anfragen dorthin weitergeleitet werden können.

Manchmal muss Vernichtung sein

Vor der Vernichtung eines Volkes sind sehr strenge Kriterien anzulegen. Wenn sich herausstellt, dass wirklich ernsthafte Gefährdungen weder durch eine Umsiedlung noch durch andere schonender Schutzmaßnahmen abzuwenden sind, ist eine fachgerechte Tötung angezeigt.

Sonderfall Allergie

Die reine Giftwirkung eines Stiches und auch die mehrerer Stiche ist für einen gesunden Menschen ohne weiteres zu verkraften. Das gilt uneingeschränkt auch für Hornissenstiche. Die Überlieferung, dass angeblich 3 Stiche einen Menschen töten, ist nachweislich unzutreffend! Allergien (Überempfindlichkeitsreaktionen) sind davon abzugrenzen. Sie beruhen auf einer 'Fehlschaltung' des menschlichen Immunsystems. Lediglich das Vorhandensein einer starken(!) Allergie gegen Insektengiftbestandteile kann zu u. U. bedrohlichen Auswirkungen führen. Gegenmaßnahmen sollte man unverzüglich ergreifen, wenn Symptome wie Benommenheit, Kribbeln in Armen oder Beinen, Rötungen am ganzen Körper, Kreislaufbeschwerden, Atemnot oder übermäßige Schwellungen auch an Körperstellen, die weit vom Einstichort entfernt sind, auftreten. Derartig massive Allergien sind allerdings außerordentlich selten. Die Gefah­r ernsthafter Gesundheitsschädigungen durch Insektenstiche wird im Verhältnis zu sonstigen Risiken des täglichen Lebens meist weit überschätzt.
Eine Allergie ist keinesfalls ein Freibrief für die Vernichtung von Völkern, sondern erfordert sinnvolle medizinische Vorbeugungsmaßnahmen (der Autor hat selbst eine Insektenstichallergie!).

 

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Teil I: Biologie und Lebensweise, Teil A
Wespe oder Biene?

Evolution von Insektenstaaten
Einsommerige oder mehrjährige Völker
Nestgründungsvarianten
Lebensablauf einsommeriger Völker
Besonderheiten in der Biologie einzelner Gattungen und Arten
Regulation des Nestklimas
Arbeitsteilung
Kommunikation
Überwinterung

Teil II: Biologie und Lebensweise, Teil B

Die Wespen haben das Papier erfunden
Wespen sind kunstfertige Baumeister
Hellnister, Dunkelnister
Hummelnester sind ganz anders
Volksgröße und Lebensdauer der Völker
Zucker zum Fliegen und Heizen, Eiweiß für die Vermehrung
Vorräte nur für wenige Tage
Tag-Nacht-Aktivität
Ökologische Bedeutung

Teil III:

Verwandtschaft - Systematik – Bestimmung
Verwandtschaftliche Stellung der sozialen Insekten
Termiten sind keine Ameisen
Bestimmung - Möglichkeiten und Grenzen
Bestimmung am lebenden Tier: 'Tüten-Methode'
Wichtige morphologische Merkmale
Morphologie einzelner Gattungen und Arten
Feldwespen (Polistes)
Hornissen (Vespa crabro)
Kurzkopf oder Langkopf?
Kurzkopfwespen (Vespula)
Langkopfwespen (Dolichovespula)
Auch Wespennester liefern Bestimmungshinweise
Nester der Feldwespe
Hornissennester
Nestfärbung
Erdnester
Nester im Freien

Teil IV:

Bekämpfung oder Schutz?
Insektenansammlungen ohne Nest
Wespe ist nicht gleich Wespe
Hornissen sind besser als ihr Ruf
Hummeln sind meist friedlich
Naturschutzbestimmungen beachten!
So können Mensch und Tier zusammenleben
Schutzmaßnahmen als Dienstleistung
Umsiedlungen sind aufwendig
Betriebswirtschaftliche Aspekte zur Umsiedlung
Manchmal muss Vernichtung sein
Sonderfall Allergie

 


 

 

 

 

 

Hummel

 

 

 

Hummelglas

 

Mittlere Wespe

HummelkastenHummelkasten Text

hornissenkastenHornissenkasten text